„Update verfügbar – ein Podcast des BSI“
Transkription für Folge 52, 26.02.2025
Moderation: Schlien Gollmitzer und Hardy RödeThema: Love Scamming Gäste: Uschi Tschorn, SOS Selbsthilfe Liebesbetrug und Stefanie Lösing, Kriminalhauptkommissarin LKA Herausgeber: Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)
Hardy Röde: Schlien.
Schlien Gollmitzer: Hardy.
Hardy Röde: Wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, muss es besonders wahr sein, oder?
Schlien Gollmitzer: Du meinst, weil es gut klingt?
Hardy Röde: Ja, wenn zum Beispiel eine Sache bei allen Läden im Internet das Gleiche kostet, nur bei einem, da kostet sie weniger als die Hälfte.
Schlien Gollmitzer: Dann klingt es gut.
Hardy Röde: Meinst du, das klingt zu gut, um wahr zu sein?
Schlien Gollmitzer: Ja, ein bisschen, vielleicht. Das ist Update verfügbar, ein Podcast des BSI für Sicherheit im digitalen Alltag mit Schlien Gollmitzer.
Hardy Röde: Und Hardy Röde.
Schlien Gollmitzer: Los, Hardy, sag mir: Was soll ich kaufen? Sag mir sofort diese Webseite, auf der es dieses tolle Angebot gibt.
Hardy Röde: Pass auf! Ein Deutschlandticket nicht für 58 Euro, was es normal kostet, sondern für?
Schlien Gollmitzer: Für 57,99 Euro?
Hardy Röde: Nee, pass auf, der Tagespreis ist nur heute 22,79 Euro.
Schlien Gollmitzer: Das klingt fantastisch, Hardy, das ist ja viel billiger.
Hardy Röde: Das haben sich auch ein paar Leute gedacht, die ein Deutschlandticket haben wollten. Dieses gibt es bei der Deutschen Bahn oder bei ihrem Verkehrsverbund für 58 Euro und für keinen Cent weniger.
Schlien Gollmitzer: Aber warum eigentlich?
Hardy Röde: Die Deutschlandtickets gibt es immer nur für den kompletten Monat. Das war von Anfang an so. Es ist automatisch ein Abo, außer man kündigt es sofort wieder und das finden manche Leute gar nicht so praktisch. Und da gab diese Website, die hieß d-ticket.com oder de-ticket.com. Sie war zuletzt mit der Internetadresse d-ticket.su mit diesem Angebot unterwegs: Du kaufst das Deutschlandticket ab dem Zeitpunkt, ab dem du es benötigst. Du kannst es zum Beispiel mitten im Monat buchen, dann kostet es nur die Hälfte von 58 Euro. Heute an dem Tag, an dem wir den Podcast aufnehmen, kostet es noch weniger, nämlich den Tagespreis von 22,79 Euro und es gibt keinen Zwang zu einem Abo. Wenn ich das Ticket ab jetzt bis Ende des Monats benötige, kaufe ich es und kaufe nächsten Monat keins. Ich muss nichts kündigen und nichts bezahlen, was ich nicht nutze. Das ist alles easy, mit ein paar Klicks ist es auf meinem Handy.
Schlien Gollmitzer: Das klingt nach einem sehr verlockenden Angebot, das klingt zu verlockend.
Hardy Röde: Dazu kommen wir gleich. Jedenfalls ab Sommer 2024 kaufen sich viele Menschen ein Deutschlandticket auf d-ticket.su. Sie fahren mit ihren Tickets fröhlich durch die Gegend, bis Ende 2024 die ersten Nutzerinnen und Nutzer bei Fahrkartenkontrollen gesagt bekommen: „Entschuldigung, Ihr Ticket ist nicht gültig, Sie fahren schwarz.“ Das ist für die Ticketinhaber sehr ärgerlich. Im Nahverkehr, U-Bahn, Bus, Regionalzug kostet das ein erhöhtes Beförderungsentgelt von 60 Euro. Da werden die Kundinnen und Kunden wütend. Sie haben sich ihr Ticket bei diesem Laden namens d-ticket.su für echtes Geld gekauft.
Schlien Gollmitzer: Das verstehe ich nicht: Kann ein Ticket ungültig werden?
Hardy Röde: Ja, die Signatur von dem Ticket, die für das Erzeugen des Tickets verwendet worden ist, kann für ungültig erklärt werden. Du kennst diese quadratischen Schwarzweißgebilde, die man bei der Fahrkartenkontrolle zeigt, wenn man mit der App seinen Fahrschein zeigt?
Schlien Gollmitzer: Das schaut aus wie ein QR-Code, meinst du das?
Hardy Röde: Genau, das sieht aus wie ein QR-Code, es ist technisch anders, aber darin stehen eine Menge an Informationen. Ich habe mir das bei meinem eigenen Deutschlandticket angeschaut. Es gibt einen Webdienst, bei dem man das vom schwarz-weißen Quadrat in normale Zeichen übersetzen kann. Darin steht zum Beispiel, wer das Ticket ausgestellt hat, das ist bei mir der MVV, der Münchner Verkehrsverbund. Darin steht, wie lange es gültig ist, mein abgekürzter Name, mein Geburtsdatum, das Ticket ist nur für mich persönlich gültig. Darin ist diese Signatur hinterlegt, eine Art digitale Unterschrift. Diese kann ein Verkehrsbetrieb ausstellen, wie bei mir der Münchner MVV, das können sehr viele solcher Verkehrsbetriebe in Deutschland. Diese digitalen Unterschriften sind bei einer Zentralstelle hinterlegt. Ob eine Unterschrift, eine Signatur gültig ist, prüfen die Schaffnerinnen oder Kontrolleure bei der Kontrolle mit diesem Lesegerät, mit dem sie dieses Quadrat einscannen. Das habt ihr sicher auch schon mal gesehen.
Schlien Gollmitzer: Lass mich raten: Ein paar von diesen Signaturen waren nicht mehr gültig und dann bin ich mit meinem Ticket Schwarzfahrerin?
Hardy Röde: Genauso ist es, eine einzige dieser Signaturen hat zu einem Verkehrsbetrieb aus Sachsen-Anhalt gehört. Das ist eine Firma, die offiziell Deutschlandtickets verkaufen darf, das macht sie bis heute über eine andere App. Es ist nicht klar, wie die Signatur dieser Firma in den Tickets gelandet ist, die dieser vermeintlich betrügerische Shop d-ticket.su verkauft hat. Diese Verkehrsfirma, dieser Busbetrieb aus Sachsen-Anhalt sagt: „Wir waren das nicht.“ Der Betreiber des Shops hat auf seiner Website eine lange Erklärung stehen. Diese kann man so zusammenfassen: Es ist ein Missverständnis. Den Namen des Unternehmens, von dem die digitalen Tickets stammen, können wir leider aus rechtlichen Gründen nicht nennen. Eins ist heute klar: Dieser Shop namens d-ticket.su hat diese Tickets bis zuletzt verkauft. Er hat dafür Geld kassiert und die Kunden sind Schwarzfahrer, ohne es zu merken.
Schlien Gollmitzer: Das ist dubios, aber Hardy, lass uns einen Gang herunterfahren. Dieser Shop hat doch wahrscheinlich einen besonders guten Kundenservice, an den sich alle vermeintlich betrogenen Kund*innen hinwenden können. Sie können sagen: „Ich hätte gerne meine 60 Euro erhöhtes Beförderungsentgelt zurück sowie das Geld, das ich für dieses ungültige Ticket bezahlt habe.“ Ist das so?
Hardy Röde: Der Kundenservice war anfangs, als alle Kunden happy waren, dass die Deutschlandtickets so billig über den Tresen gehen, sehr aktiv und im Moment ist er schweigsam. Es wird schwierig für die Nutzerinnen und Nutzer, da d-ticket.su nicht von einer Firma in Deutschland betrieben wird, sondern von einer Firma in Großbritannien. Im Impressum der Website steht eine Briefkastenadresse in London. Der Gesellschafter und Geschäftsführer, der im Register steht, stammt aus China und wohnt an einer Adresse in einem kleinen Badeort an der italienischen Adria.
Schlien Gollmitzer: So stelle ich mir einen klassischen Verkäufer von Deutschlandtickets vor.
Hardy Röde: Da hat sich jemand sehr viel Mühe gegeben.
Schlien Gollmitzer: Aber sag mal, warum haben die diese Domain, die du jetzt schon 20-mal genannt, d-ticket.su – das gehen wir bitte nicht drauf – warum diese Endung su? Das irritiert mich, steht das für Sowjetunion?
Hardy Röde: Genau.
Schlien Gollmitzer: Beim Deutschlandticket sollte doch de als Endung stehen.
Hardy Röde: Es gibt eine fantasievolle Antwort, warum dieser Laden kein de in der Endung hat. Ich finde die Erklärung am besten, die ein Nutzer als Kommentar auf heise online geschrieben hat. Das ist die IT-News-Plattform, die als erste über diesen Fall berichtet hat. Dieser Nutzer hat vorgeschlagen, dass die Endung su für seriöses Unternehmen stehen muss.
Schlien Gollmitzer: Das bringt mich zu meiner Standardfrage am Schluss, Hardy: Ist ein Update verfügbar?
Hardy Röde: Die Website ist zum heutigen Tag, an dem wir das aufnehmen, online, aber man kann nichts mehr kaufen. Dieses Update ist anscheinend erfolgt und deswegen ist es unwahrscheinlich, dass derselbe mutmaßliche Ticketschwindel dort weitergeht. Es geht eine Warnung heraus. Fake-Shops, die mit Deutschlandtickets Leute abgezockt haben, gab es in der Vergangenheit. Es ist schlau, kurz zu checken, ob man sich auf einen Onlinehändler verlassen kann – gerade, wenn der `seriöses Unternehmen´ als Webdomain hat. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik bietet sehr hilfreiche Informationen zu sicheren Onlineshops. Dazu verlinken wir euch mehr Informationen in den Shownotes. Die Verbraucherzentralen haben einen Fake-Shop-Finder, dazu geben wir euch Hinweise in den Shownotes, wie ihr den findet.
Schlien Gollmitzer: In Update verfügbar geht es heute um ein Update, dass wir uns selbst geben müssen. Wir sprechen heute über eine andere Form von Betrug im Netz, das Love Scamming oder Romance Scamming. Im Januar 2025 wurde ein besonders harter Fall aus Baden-Württemberg bekannt. Eine Unbekannte hatte einen Mann aus der Nähe von Stuttgart um 2,3 Millionen Euro gebracht.
Hardy Röde: Meine erste Reaktion Schlien: Kann mir nicht passieren, ich habe gar keine 2,3 Millionen Euro.
Schlien Gollmitzer: Das habe ich mir anfangs auch gedacht, Hardy, der Gedanke umschwirrte mich. Die Geschichte ist leider komplexer, als dass man sie mit diesem simplen Gedanken abtun könnte. Der Mann hatte auf einer Dating-Plattform eine angebliche Notärztin aus dem Jemen kennengelernt. Sie hatte ihn innerhalb kürzester Zeit derart umgarnt und eingelullt, dass sie ihn bald um Hilfe und um Geld bat. Das zog sich über mehrere Monate und mehrere Überweisungen für vermeintliche Notsituationen, in denen sich diese arme Frau befunden haben soll, sodass der Mann um diese Unsumme von 2,3 Millionen Euro gebracht wurde. Es ist nicht bekannt, ob der Mann das Geld selbst aufgebracht oder ob er sich schwer verschuldet hat. Es ist klar, es gibt diese Notärztin im Jemen nicht und dieser Scam, dieser Betrug folgt einem üblichen Muster.
Hardy Röde: Wir sind die Richtigen, um Licht in dieses Muster zu bringen.
Schlien Gollmitzer: Genau, und zwar zusammen mit unserem heutigen Gast Uschi Tschorn, die selbst zum Opfer eines ebensolchen Scams geworden ist. Nachdem sie diese schlimme Zeit überstanden hat, hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, anderen Betrugsopfern durch ihre Gruppe SOS Selbsthilfe Liebesbetrug zu helfen.
Hardy Röde: Okay, bevor sie uns davon erzählt, glaube ich, benötigen wir ein Update zu diesem Begriff Romance Scamming. Schlien, schieß los.
Schlien Gollmitzer: Was ist Romance Scam? Betrüger*innen nutzen Fake-Profile auf Social-Media-Plattformen, um damit Kontakt zu potenziellen Opfern aufzubauen. Wenn sie anbeißen, wird gelovebombt, die große Liebe wird vorgetäuscht. Dies erfolgt mit täglichen Nachrichten und mit einer scheinbar uneingeschränkten Aufmerksamkeit. Das Ziel ist, an das Geld der Opfer zu kommen. Oft schreiben mehrere Täter*innen an ein einzelnes Opfer. Sie sitzen größtenteils im Ausland und sind als Gruppe organisiert. Es wird schnell nach Geld gefragt, aus einer angeblichen Notlage heraus. Männer und Frauen sind gleichermaßen von Romance Scamming betroffen. Wer sich denkt, wie blöd kann man sein, um darauf hereinzufallen, muss wissen: Die Betrüger wissen genau, wie sie mit den Gefühlen ihrer Opfer spielen und sie manipulieren können. Der finanzielle Schaden liegt in vielen Fällen über 10.000 Euro, oft wesentlich höher. Die psychische Belastung wiegt mindestens genauso schwer, niemand kann es einfach wegstecken, dass er schwer betrogen und getäuscht worden ist. Liebe Uschi, ich begrüße dich, herzlich willkommen bei Update verfügbar und danke für deine Zeit.
Uschi Tschorn: Ich danke.
Schlien Gollmitzer: Uschi, kannst du uns etwas über dich erzählen?
Uschi Tschorn: Mein Name ist Uschi Tschorn, ich habe die Gruppe SOS Selbsthilfe Liebesbetrug. Ich bin 69 Jahre alt und bin vor 10 Jahren selbst Opfer geworden, zwar nicht auf der Liebesschiene, dennoch bin ich darauf hereingefallen. Ich habe 1.650 Euro überwiesen und habe mich anschließend vor Gericht verantworten müssen. Als ich mein Geld zurückbekommen sollte, haben andere Leute Geld auf mein Konto überwiesen, welches ich weiter überweisen sollte, was ich später getan habe. Das war der Anfang. Es fing im November an und am Valentinstag stand die Polizei bei mir vor der Tür und mir wurde klargemacht, dass ich in einem Love Scam bin. Ich habe einen Betrüger bezahlt und Gelder weitergeschickt, das ist Geldwäsche im großen Stil. Ich habe innerhalb von 14 Tagen mehr als 100.000 Euro auf dem Konto gehabt. Dieses habe ich an die Damen und an mein Schatzilein zurückgeschickt, mit diversen Namen und Adressen. Diese hat mein Scam mir jedes Mal als Büro- oder Arbeitssitz oder ähnliches erklärt. So bin ich zu dem gekommen, was ich heute mache.
Schlien Gollmitzer: Du hast von deinem „Schatzilein“ in Anführungsstrichen gesprochen. Kannst du erzählen, wie es zu diesem Kontakt kam? Was ist passiert, wie hat die Person dich angeschrieben?
Uschi Tschorn: Ich bin damals jungfräulich bei Facebook gewesen, ich war jungfräulich mit Laptop und ähnlichem oder einem modernen Telefon, das hatte ich alles nicht. Dann hatte ich bei Facebook ... Ich habe über 20 Jahre Tiffany-Glas gemacht und habe viel in der Welt gelebt, bin umhergezogen, hatte Standorte und Freunde. Sie haben gesagt: „Dein Glas, mach Fotos, stelle das bei Facebook hinein.“ Somit kam mein Glas zu Facebook, was meine Freunde hocherfreut hat. Dann kam eine Anfrage von einem angeblichen Deutschamerikaner, der in Berlin lebt und im Gold- und Mineralienhandel ist. Er fragte, ob ich für sein Haus in Berlin ein Erkerfenster machen könnte. So kam der Kontakt zustande und nach drei Tagen war kein Interesse mehr an dem Fenster. Es war nur Interesse an mir da, obwohl von mir kein Foto zu sehen war. Ich sähe unheimlich toll aus, ich hätte eine Wahnsinnsausstrahlung, ich hätte unglaublich schöne Augen und Haare. Ich habe gesagt: „Wie willst du das sehen? Es gibt kein Foto von mir.“ Er sagte, er stelle sich mich so vor und so ging der Kontakt, es war unheimlich nett. Es war sehr charmant und lustig, wir haben sehr viel telefoniert. Das ist sehr ungewöhnlich, das gibt es fast nicht, dass man jeden Tag oder mehrfach am Tag mit seinem Scammer telefoniert. Ich habe keinen Plan gehabt, was abläuft und zeitgleich sind zwei weitere Damen mit ihm verbandelt gewesen. Das Foto gehörte einem mexikanischen Schauspieler und hinter dem Foto, wie ich später erfahren habe, waren drei Männer und eine Frau aus Ghana. Das war die Gruppe, die mich bearbeitet hat und die beiden anderen Damen auch.
Schlien Gollmitzer: Wenn ich kurz reingehen darf: Das ist dieses Love Bombing, von dem man spricht. Es ist wahnsinnig schmeichelhaft, man hat jemanden, der an einem Interesse zeigt. Er hebt besondere oder optische Eigenschaften hervor und lullt einen ein.
Uschi Tschorn: Das ist dieser Seelenschmalz, der großzügig verteilt wird. Im wirklichen Leben haben wir das in jungen Jahren gehabt, aber nicht in der Form mit diesen zahlreichen Komplimenten. Jeder Mensch, ob Mann oder Frau, ist für Komplimente anfällig, das ist so und das macht etwas mit einem. Man ist nicht nur geschmeichelt, man fühlt sich wertgeschätzt. Da ist einer, der mir zuhört. Da ist einer, der interessiert sich für mich, dem ist das nicht egal, ob es mir schlecht geht, denke ich. Aber für all das zahle ich am Ende einen unglaublich hohen Preis.
Schlien Gollmitzer: Je mehr man umschmeichelt wird, desto eher hat man das Gefühl, man würde gerne etwas zurückgeben können. Wenn sich die Person am anderen Ende in einer vermeintlichen Notlage befindet, hat man dieses Helfersyndrom, ich kann etwas tun, ich kann etwas zurückgeben.
Uschi Tschorn: Dieses Umschmeicheln und diese zahlreichen Komplimente müssen das abfangen, was eine Echtzeitbeziehung Auge in Auge macht. Ich sehe ihn nicht, und er muss etwas tun, dass sich sein Opfer in ihn verliebt. Ich habe ihn nie gesehen, ich weiß nicht, wie er riecht, wie er küsst oder ob er angenehme Hände hat. Das ist das, was man im echten Leben hat, und das fällt alles hinten herunter. Ich lasse mich von diesem Menschen manipulieren und ich mag den. Ich höre es, viele sind sehr schnell unsterblich in diese Person verliebt. Je schneller er merkt, du bist in mich verliebt, du benötigst mich und meine Liebe, umso schneller kommt er mit: „Mir ist etwas Furchtbares passiert, Schatz, ich benötige deine Hilfe“. Im normalen Leben sind wir gegenüber Freunden, Family, Leuten, die uns nahestehen, gerne bereit zu helfen. Nicht mit diesen Summen, die da weggehen, aber wir helfen. In diesem Falle glaubt das Opfer, das ist meine große Liebe, das ist meine zweite Chance oder die erste Chance. Wir bleiben zusammen, wir gehen zusammen weg, Friede, Freude, Eierkuchen. Sie sind alle alleinstehend, bestenfalls haben sie Kinder, weil der Mutterinstinkt geweckt werden muss, ansonsten haben sie niemanden. Sie sind, so wie sie sich darstellen, reich bis sehr reich, haben niemanden, sind in einer Notsituation und benötigen ausgerechnet mich beziehungsweise mein Geld. Darin sind viele Stolperfallen, die man sehen könnte, aber man ist blind vor Liebe und so ferngesteuert, dass man das alles nicht wahrnimmt.
Schlien Gollmitzer: Wie war das speziell in deinem Fall, ab wann hast du gemerkt, dass etwas nicht stimmt?
Uschi Tschorn: Das kann ich nicht speziell sagen, ich habe nach diesen 1.650 Euro gesagt – seine Tochter aus den USA sollte zu Weihnachten nach Deutschland kommen – ich habe gesagt: „Ich kann nicht mehr, ich habe das Geld nicht.“ Dann fing es an mit: „Du kannst Freunde beleihen oder du kannst einen Kredit aufnehmen.“ Ich habe gesagt: „Ich bekomme keinen Kredit, ich habe kein Geld und keine Arbeit, ich habe nichts, ich bekomme keinen Kredit.“ Da habe ich mir nichts gedacht, aber er hat gesagt: „Ich schicke dir dein Geld zurück, ich habe meine Bankdaten hergestellt, ich möchte dir das auf dein Konto schicken.“ Dann habe ich mit meinen Bankleuten gesprochen, sie sagten, es sei kein Problem. Das Geld kam nicht. Was kam, war, dass mir mehrere Frauen aus Deutschland gleichzeitig im Totschlageffekt extrem hohe Summen auf mein Konto überwiesen haben. Ich habe gedacht, ich behalte meine 1.650 Euro und es war, als wenn er Gedanken lesen kann. „Nein, das kannst du nicht machen, ich muss hier bezahlen, sonst komme ich hier nicht heraus, das ist sehr wichtig. Das, was du mir gegeben hast, honoriere ich dir, du bekommst die doppelte Summe.“ Jemand hat aus dem Bauch heraus zu mir gesagt: „Schicke ihm das Geld, dann ist es weg, ich will damit nichts zu tun haben.“ Dann habe ich anfangs an die Frauen, die mir Geld überwiesen haben, das Geld zurückgeschickt, weil ich kannte keine von denen. Zwei Tage später hatte ich von diesen Frauen das Geld in der Höhe wieder auf meinem Konto. Dann habe ich mit meinen Bankleuten gesprochen und sie haben gesagt: „Wir schicken das mit Verdacht auf Betrug zurück“, und haben das zurückgeschickt. Zwei Tage später habe ich die gleiche Summe von den gleichen Frauen wieder auf meinem Konto gehabt. Dann habe ich wortwörtlich gesagt: „Ich will die Scheiße nicht auf meinem Konto haben, es ist mein Konto. Ich will nicht, dass jemand dahin überweist.“ Ich habe das meinem Schatzi gesagt und er sagte, ich müsse ihm helfen, es sei für sein Business, sonst verliere er alles. Ich habe gesagt: „Das ist mir egal, das läuft nicht über mein Konto.“ Wenn er Geschäftsmann ist und das alles stimmt, hat er Mittel und Möglichkeiten und da benötigt er nicht mein privates Konto.
Schlien Gollmitzer: Im Nachhinein betrachtet – ich meine, das klingt alles sehr kompliziert und man verliert darüber die Kontrolle.
Uschi Tschorn: Das soll so sein.
Schlien Gollmitzer: Mittlerweile weißt du, was im Hintergrund abgelaufen ist, wer diese Frauen waren und warum sie dir Geld überwiesen haben. Kannst du kurz skizzieren, woran das lag, was der Punkt war?
Uschi Tschorn: Die Frauen, die auf mein Konto Geld überwiesen haben, waren genauso mit meinem Schatzi, mit dem Foto des mexikanischen Schauspielers verbandelt wie ich. Jede einzelne hat gedacht oder angenommen, ich bin die Einzige und er liebt mich. Er hat jeder etwas anderes erzählt. Wenn sie auf mein Konto überwiesen haben, hat er gesagt, ich sei seine Sekretärin, ich hätte eine Art Geschäftsführerposition inne. Einige haben auf diese Überweisungen leihweise oder für Geschäftseinlagen geschrieben. Ich habe gedacht, was für Geschäftseinlagen? Ich kenne sie nicht und er hat mir gesagt, das sei von seinem Unternehmen, das seien Juweliere, die bei ihm Gold und Edelsteine bestellen. Sie müssten das Geld schicken, damit er die Expertise für diese Steine oder das Gold haben könne. Man macht sich schlau und ich habe alles recherchiert, ich habe Ghana abtelefoniert. In dem angeblichen Hotel, wo er war, bin ich in sein Hotelzimmer durchgestellt worden, das war eine Fangschaltung. Ich habe die deutsche Botschaft in Ghana angerufen, wo er angeblich gemeldet ist. Man wusste Bescheid, er darf drei Monate im Land bleiben, weil er im Gold- und Mineralienhandel tätig ist. Sie haben überall ihre Hände drin, überall spielt einer mit, der, wenn jemand anruft, sagt: „Jawoll, das ist alles richtig.“ Ich habe alles recherchiert und überall angerufen und am Ende des Tages habe ich mich mehrfach entschuldigt, dass ich misstrauisch bin und alles überprüfe. Er hat sich auf seine Art und Weise totgelacht, ich habe hinterher gemerkt, er hat gut gearbeitet, er hat das gut gemacht. Ich bin da gewesen, aber mir ist nichts aufgefallen, ob ich bei der Polizei war, ob ich bei der Botschaft war oder sonst wo, das hat er gut gemacht.
Schlien Gollmitzer: Uschi, wie lange hat der Betrug bei dir insgesamt gedauert?
Uschi Tschorn: Ich habe mein Herzblatt am 19. November 2015 kennengelernt und am 14. Februar 2016 habe ich die Polizei vor der Tür kennengelernt.
Schlien Gollmitzer: Wenn man so manipuliert und auf einer emotionalen Ebene angegriffen wird, verursacht das einen wahnsinnigen psychischen Schaden. Der finanzielle Schaden ist der eine Aspekt, aber der psychische Schaden ist enorm.
Uschi Tschorn: Der hört nicht auf, der verfolgt dich für den Rest deines Lebens. Du lernst, damit umzugehen, du hast gelernt, etwas davon abzubauen, abzuarbeiten, aber die großen Narben bleiben. Es gibt Tage und Schlüsselerlebnisse, die dich in die Ecke hauen und du Rotz und Wasser heulst.
Schlien Gollmitzer: Wir haben jetzt ein so bedrohliches Szenario aufgemalt und auf die Gefahren hingewiesen, dass ich nicht mehr ins Internet gehen möchte, ehrlich gesagt. Können wir einen kleinen Lichtblick, einen kleinen Ausblick geben? Wie ist das mit deiner Organisation, wie kannst du Betroffenen helfen? Welche Unterstützungen bietest du an?
Uschi Tschorn: Ich versuche Opfern zu helfen, indem ich sie auffange, weil Opfer aus Scham niemanden haben, mit dem sie reden können. Wichtig ist, ich muss reden, je mehr ich darüber reden kann, umso eher komme ich darüber hinweg. Vergessen gibt es nicht. Ich versuche sie aufzubauen, zu stärken, zu sehen, wo steht diese Person, was ist alles passiert? Es ist egal, ob jemand 100 Euro, 100.000 Euro oder 1 Million Euro verloren hat, wer gezahlt hat, hat ein Problem. Ich versuche zu hören, wo stehen sie, wie zahlen sie das ab? In den meisten Fällen muss ich ihnen raten, in eine Privatinsolvenz zu gehen beziehungsweise ihnen den Tipp geben, sich bei der Schuldnerberatung beraten zu lassen. Wie zahle ich das ab, wie komme ich da heraus? Dann schauen wir Schritt für Schritt, wo kann ich helfen, wo kann ich sie hinschicken? Was kann ich ihnen anbieten? Es ist sehr wichtig, eine Anzeige machen, dann hat man ein Aktenzeichen, das schützt vor Folgeschäden. Wenn es so ist, dass ich vorgeladen werde, weil mich andere Leute angezeigt haben und ich einen Anwalt benötige, kann ich sagen: „Ich kann jemanden empfehlen, er weiß, was er macht.“ Die Person kennt sich im Scam aus, die hat mich damals vertreten, die hat sich eingearbeitet. Man kann in Ratenzahlung gehen, wenn es sein muss, und die setzt sich 200-prozentig ein, nicht 100-prozentig und versucht, den Schaden zu begrenzen, dass das Opfer nicht wieder Opfer wird.
Schlien Gollmitzer: Es kann wahnsinnig hilfreich sein, mit dir zu sprechen und dich als selbst Betroffene als Ansprechperson zu haben.
Uschi Tschorn: Genau, wer mich kontaktiert, redet und zwar viel und manchmal höre ich nur eine Dreiviertelstunde weinen. Ich versuche zwischendurch Trost zu geben, damit die Person hört, dass ich da bin. Dann versuche ich zu klären, was und wie es passiert ist. Und sie sind erstaunt, weil jedes Opfer denkt: Ich allein auf der Welt bin unheimlich blöd. Meine Story ist die Story des Lebens, die hat es nie gegeben. Doch jede Story war da, nur das Opfer ist neu. Ich versuche Verständnis hineinzubringen, zu erklären, warum und wieso und diese Frau, dieser Mann kein dummer Mensch ist. Sie sind nicht dumm, sie haben ein gutes Herz und ein Helfersyndrom. Man hilft Leuten, die einem etwas bedeuten. Ich habe vor Jahren eine anonyme Gruppe gebildet, in die ich Opfer hinzufügen kann. Das geht nur über das Internet. Wir können skypen und uns sehen, wenn wir wollen. Wir können reden, wir können uns ausheulen, es ist rund um die Uhr jemand wach. Wenn mir jemand sympathisch ist und ich Geld zum Reisen habe, reist man zu der anderen Person hin und besucht sich. Ich finde es wichtig, dass man sich austauschen kann. Jeder kann dem anderen erzählen, was ihm passiert ist. Ich sehe, er ist nicht doof. Ich habe im Kopf, ich muss doof gewesen sein, nein, bin ich nicht.
Schlien Gollmitzer: Wie viele Menschen melden sich im Schnitt bei dir?
Uschi Tschorn: Es sind außerhalb der Ferienzeit im Schnitt an die 400 Personen.
Schlien Gollmitzer: Es sind 400 Personen in welchem Zeitraum?
Uschi Tschorn: Im Monat, das sind die Opfer selbst sowie Family, Freunde, die sich Rat oder Hilfe holen. Dann gibt es die, die sagen: „Ich bin in einer Partnerbörse, ich habe ein Foto und einen Namen, aber das ist so glatt, das passt nicht.“ Ich recherchiere für sie und sage: „Du hast gut aufgepasst, das ist ein Scammer.“
Schlien Gollmitzer: Hast du einen Tipp, den ich als Nutzerin, als Nutzer aus diesem Gespräch mitnehmen kann? Ich bin selbst betroffen oder habe die Vermutung, dass jemand aus meiner Familie oder aus meinem Bekannten-, Freundeskreis davon betroffen sein könnte.
Uschi Tschorn: Wenn das im Freundeskreis oder in der Familie ist, könnt ihr nichts machen. Der Scammer hat alles gesät und gelegt, dass ihr keine Chance habt, auf dieses Opfer in eurem Freundeskreis zuzugreifen. Ihr steht außen vor. Wenn ihr Pech habt, wird den Kindern der Schlüssel abgenommen, das Haus verboten und oder der Kontakt untersagt. Mein Scammer und ich fangen ein neues Leben an, das ist die große Liebe, da seid ihr im Weg, ihr habt keine Chance. Da übernehme ich den Job, das lasse ich mir bezahlen, es ist nicht viel, aber es ist viel Arbeit und viel Stress für mich. Ich setze mich mit diesem Opfer in Verbindung und ich habe fünf Minuten, um sie zu überzeugen oder sie für zu verlieren. Ich habe dreimal auf knapp zehn Jahre verloren, aber alle anderen habe ich überzeugen können. Ich habe sie da herunterbekommen, ein Opfer redet nicht mit der Familie.
Schlien Gollmitzer: Vielen lieben Dank, Uschi, danke für deine Zeit und für deine Offenheit.
Uschi Tschorn: Gerne.
Hardy Röde: Ich kann mir das alles nicht vorstellen, was Uschi Tschorn erzählt. Ich glaube ihr jedes Wort, aber es ist unbeschreiblich, in was für Abgründe sie schaut. Ich hätte mir nie gedacht, was diese Täter, diese Banden, anders kann man es nicht sagen, diese organisierten Kriminellen, mit Leuten machen und wie viel sie in ihnen zerstören. Das ist unvorstellbar, was die Leute mitmachen.
Schlien Gollmitzer: Das macht Angst.
Hardy Röde: Es ist umso besser, dass es jemanden wie sie gibt, die in der allergrößten Not für sie da ist.
Schlien Gollmitzer: Bei mir ist der Satz hängen geblieben, dass es oft die Leute erwischt, von denen man es nie gedacht hätte. Es ist nicht dieses: Wie blöd kann man sein? Sie hat gesagt, es seien über die Jahre zwei Kripobeamtinnen dabei gewesen, die zum Opfer von Romance Scam geworden sind. Sie hat dazu gemeint: „Das, obwohl sie jeden Tag mit dem geballten Verbrechen arbeiten.“ Es ist mir sehr wichtig zu erwähnen, die Opfer gehen quer durch alle Altersgruppen, das geht hinauf bis 80 Jahre. Sie hat mir von einem Opfer, einem Jungen erzählt, der 13 Jahre alt war und sich im Internet Hals über Kopf in eine Prinzessin verliebt hat. Da läuft es mir, ehrlich gesagt, als Mutter von Teenager-Kindern eiskalt den Rücken herunter.
Hardy Röde: Das zeigt, dass es jeden und jede treffen kann, aber dich hoffentlich nicht, Schlien.
Schlien Gollmitzer: Nee, aber ehrlich gesagt fällt mir nichts anderes ein, als das Internet für heute auszumachen.
Hardy Röde: Es ist eine Maßnahme, das Internet auszumachen. Falls uns das zu krass ist, falls ihr diesen Podcast mit Internet zu Ende hören wollt, schauen wir gemeinsam, wie wir uns vor solchem Romance Scam besser schützen können. Es gibt ein paar Stellen im Netz, die haben zum Thema Romance Scam viele Informationen zusammengestellt. Sie haben Checklisten erarbeitet, die euch an dem einen oder anderen Punkt wachsamer machen können, bevor euch etwas Schlimmes passiert. Ich habe dazu mit Stefanie Lösing gesprochen, sie ist Kriminalhauptkommissarin beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen. Da kümmert sie sich um Prävention zu vielen Cyber-Sicherheitsthemen, nicht nur zu Romance Scam. Hallo Steffi.
Stefanie Lösing: Hallo Hardy, danke, dass ihr mich eingeladen habt.
Hardy Röde: Wir haben von Uschi Tschorn und ihrer Selbsthilfe SOS Liebesbetrug gehört. Diese ist über die letzten zehn Jahre zu einer Anlaufstelle für viele Opfer von Romance Scam geworden. Sie hat uns gesagt, jeden Monat wenden sich zurzeit rund 400 Menschen an sie, Opfer oder Angehörige. Frage an dich, Steffi: Was macht die Polizei für ein Angebot? Wie kann ich mich am besten an Ermittlerinnen, Ermittler wenden, wenn ich mittendrin in einem Fall von Romance Scam stecke?
Stefanie Lösing: Wenn du mitten in so einer Situation steckst und dein Bauchgefühl dir sagt, hier ist etwas komisch, hier stimmt etwas nicht, dann sollte man sich Hilfe suchen und gerne mit jemandem sprechen. Es hilft, sich jemandem anzuvertrauen. In dem Moment, in dem man Dinge ausspricht oder sich selbst erzählt, werden Dinge etwas anders oder besser bewusst. Es gibt sehr gute Anlaufstellen, mit denen man sprechen kann, außerhalb von der Polizei. Das gilt, wenn man nicht mit der Polizei sprechen möchte, weil man unsicher ist, ob zum jetzigen Zeitpunkt ein Strafverfahren eingeleitet werden sollte.
Hardy Röde: Die Polizei muss ermitteln, wenn sie einen Verdacht oder Kenntnis von einer möglichen Straftat bekommt, richtig?
Stefanie Lösing: Ja, das ist richtig, wir sprechen vom Legalitätsprinzip, das ist der Fachbegriff. Das bedeutet, dass jeder Polizeibeamte, jede Polizeibeamtin einen Strafverfolgungszwang hat. Wenn ich Kenntnis von einer Straftat bekomme, muss ich strafverfolgend tätig werden und im Zweifelsfall eine Strafanzeige fertigen.
Hardy Röde: Wenn ich nicht so weit bin und mir über das Thema klar werden möchte, was sind Angebote, die du im Sinn hast? Was kannst du unseren Hörerinnen und Hörern an die Hand geben?
Stefanie Lösing: Ich schaue da in zwei Richtungen, weil das Internet nicht vor den Toren von Nordrhein-Westfalen haltmacht. Ihr habt mich schönerweise als Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen eingeladen. Wir in Nordrhein-Westfalen haben verschiedene Internetseiten, die man aufrufen kann. Da gibt es das Opferschutzportal. Es gibt in vielen Städten Frauenberatungsstellen, an die man sich wenden kann. Es gibt das Männerberatungsnetz, es gibt viele Internetseiten, auf denen man sich Hilfe suchen kann. Wenn ich sage, vor den Toren von Nordrhein-Westfalen machen wir nicht Halt, meine ich damit bundesweite Angebote. Es gibt die tolle Präventionsseite polizei-beratung.de und da bekommt man bei Informationen für Betroffene viele Ansprechstellen. Ein klassisches Beispiel wäre die Nummer gegen Kummer. Das kann man sich gut merken. Da kann man anrufen und mit jemandem sprechen. Es gibt noch andere Internetseiten, die ich euch gerne zur Verfügung stelle.
Hardy Röde: Dein Bereich ist die Prävention, ihr wollt mit Aufklärungskampagnen und im Rahmen von solchen Initiativen wie polizei-beratung.de dafür sorgen, dass wir als Nutzerinnen und Nutzer im Netz wachsam unterwegs sind. Wir haben viel über die psychologischen Tricks gehört, mit denen die Tätergruppen unterwegs sind, denen man sich scheinbar fast nicht entziehen kann. Meine Frage an dich: Wie kann ich mich davor schützen, zum Opfer zu werden? Es klingt für mich danach, dass es für mich keine Handhabe, kein Halten gibt.
Stefanie Lösing: Wissen schützt, das steht über allem und das ist das, was wir versuchen. Wenn ich um bestimmte Gefahren weiß, kann ich mich anhand bestimmter Verhaltensempfehlungen selbst sichern oder schützen. Die Problematik bei diesem Kriminalitätsphänomen ist, dass die Täterinnen oder Täter mit Gefühlen, Emotionen, Anteilnahme und Liebe arbeiten. Dann ist man an einem Punkt, an dem man das nicht mehr reflektiert. Es gibt ein paar Tipps, die dabei helfen, dass man nicht so schnell in so eine Situation kommt.
Hardy Röde: Was ist das kleine Einmaleins? Was sollte ich tun, um nicht sofort auf einen schlimmen Betrug hereinzufallen?
Stefanie Lösing: Ich würde Safer Dating empfehlen, weil der Erstkontakt häufig auf Dating-Portalen stattfindet. Ich würde mit einer alternativen E-Mail-Adresse arbeiten und nicht mit der E-Mail-Adresse, mit der ich meine Geschäfte oder meine Korrespondenz mit Freunden abwickele. Ich würde mir eine separate E-Mail-Adresse erstellen und wenn etwas schiefläuft, schalte ich die E-Mail-Adresse ab. Wenn ich etwas nachlesen oder etwas für eine Anzeige heraussuchen will, kann ich das gezielt aufrufen. Wenn die E-Mail-Adresse weg ist, tut es nicht so weh, als wenn es eine E-Mail-Adresse ist, über die der ganze Traffic läuft. Das wäre Tipp eins, den ich geben würde. Der zweite Tipp ist, Misstrauen zu haben, kritisch zu bleiben und nicht auf Anhieb allem Glauben zu schenken. Man vertut sich nichts, wenn man Bilder, die man geschickt bekommt, mit einer Bilderrückwärtssuche im Internet überprüft. Ich kann schauen, gibt es das Bild im Internet? Ich bekomme ein Foto von jemandem zugesandt, auf dem ein Mann mit zwei Kindern ist, er erzählt, das seien seine beiden Kinder. Ich mache eine Bilderrückwärtssuche und stelle fest, dieses Bild gibt es in einem anderen Format, dasselbe Bild, aber dieselbe Person ohne Kinder. Man kann selbst Ermittler spielen, auch wenn es sich komisch anfühlt. Man will nicht von vornherein sagen: „Was ist das für ein Vogel, den ich da vor mir habe?“ Schütze dich selbst, das ist nicht verkehrt. Das zweite ist, vorsichtig mit der Preisgabe seiner eigenen Daten zu sein. Wenn es fortgeschrittener ist, wenn es um den Austausch von intimen Bildern geht – das ist heutzutage nicht unüblich – aber man sollte auf dem Schirm haben, mit solchen Bildern oder Videos ist man im weiteren Verlauf erpressbar. Die Vorgehensweise von den Täterinnen oder Tätern ist so, dass sie in eine schwierige Situation kommen, in der sie Geld benötigen. Wenn sie merken, sie kommen bei dem späteren Opfer nicht weiter und haben solche Bilder, kann es passieren, dass sie einen damit erpressen. Man nennt das Sextortion, Erpressung mit intimen Inhalten, da wäre ich vorsichtig und zurückhaltend.
Hardy Röde: Du hast gesagt, es fühle sich komisch an, wenn es um Gefühle geht, sofort das Misstrauen auszupacken, da gebe ich dir recht. Für mich bleibt die Frage, wem können wir im Netz vertrauen oder dürfen wir jemandem im Netz vertrauen? Was wäre deine einfache Antwort auf die schwierige Frage?
Stefanie Lösing: Meine Antwort wird euch nicht zufriedenstellen, aber es ist so, vor dem Hintergrund, dass die Qualitäten gefälschter Inhalte aufgrund von Möglichkeiten rund um KI, Deepfake – ich denke, ihr habt mitbekommen, was unterwegs war, ich muss nur Taylor Swift erwähnen und ein Deepfake-Pornobild oder -Video – die Qualitäten werden besser und deswegen sage ich, über allem im Internet steht die Abkürzung TKA: Traue keinem anderen. Das klingt unangenehm und man will es nicht wahrhaben, aber es wird heutzutage viel gefälscht. Wir sprechen von Fake-Shops, Phishing-Mails, Fake-E-Mails, gefälschten QR-Codes. Wenn ich an der Zapfsäule für Strom stehe, weiß ich nicht, ist es der QR-Code von dem Anbieter oder ein gefälschter? Ich finde, TKA ist leider nicht weit weg, das muss man leider sagen.
Hardy Röde: Das sind drei Buchstaben, die wir uns gut merken können, vielen Dank, Steffi.
Stefanie Lösing: Bitte.
Hardy Röde: Das war Stefanie Lösing vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen mit ein paar Kniffen, die nicht oder nicht sehr wehtun. Das finde ich persönlich so, wenn man am Anfang einer Onlineverbindung steht, aus der mehr werden kann und etwas am neuen Prinzen oder der Prinzessin im Netz ist faul.
Schlien Gollmitzer: Das waren harte Updates in dieser heutigen Folge von Update verfügbar, ich wünsche mir das Deutschlandticket zurück.
Hardy Röde: Wenn der Schaden so hoch wie ein Deutschlandticket ist, 58 Euro, ist das ärgerlich, aber man kommt darüber weg. Die psychischen Spuren, die bei den Opfern von Romance Scams bleiben, finde ich kaum vorstellbar. Es ist eine unglaubliche Arbeit, die Uschi Tschorn leistet sowie Stefanie Lösing und das LKA mit ihrer Präventionsarbeit leisten.
Schlien Gollmitzer: An dieser Stelle gibt es den Hinweis für euch auf die Gruppe SOS Selbsthilfe Liebesbetrug von Uschi, sosliebesbetrug.de. Tipps und Informationen vom BSI und LKA sind in unseren Shownotes verlinkt.
Hardy Röde: Das war die Folge 52 von Update verfügbar, dem Podcast des BSI, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, vielen Dank fürs Zuhören.
Schlien Gollmitzer: Danke, dass ihr bei uns wart und wenn euch diese Folge gefallen hat, likt und folgt Update verfügbar. Lasst uns auf eurer Streamingplattform ein Sternchen da, wir freuen uns auf eine Bewertung von euch.
Hardy Röde: Für alle Fragen zur Sicherheit im digitalen Alltag findet ihr das Team des BSI auf Facebook, Instagram, Mastodon und YouTube. Die Kontaktadressen findet ihr in den Shownotes.
Schlien Gollmitzer: Bis zum nächsten Update.
Hardy Röde: Bis zum nächsten Update.